Im Kamin knistert ein Feuer, auf den Fensterbänken flackern ein paar Kerzen, und draussen legt sich der Abend über die Winterwelt: Es gibt nichts Romantischeres als Ferien im Blockhaus.
Veröffentlicht: 2011
Christoph Zurfluh
Freier JournalistSchon als Teenager bereiste Christoph Zurfluh per Interrail Skandinavien. Später führte ihn seine Arbeit für Kontiki immer wieder dorthin. Die Liebe zum hohen Norden teilen auch seine beiden Kinder.
«Was wäre wohl, wenn nun der Strom ausfallen würde?», frage ich mich einen Moment lang allen Ernstes. Hier, 250 Kilometer über dem Polarkreis. Irgendwo im Nirgendwo bei minus 30 Grad im Freien!
Ich schaue durchs Fenster in die Dunkelheit, die hier so gar nichts Bedrohliches hat. Im Gegenteil: Eine watteweiche Winterlandschaft macht sich da draussen breit. Der Schnee glitzert im warmen Licht des Hauses, und eine märchenhafte Ruhe liegt über allem. Das färbt ab. Wie sagt man so schön? «Entschleunigung»! Lappland ist ein Synonym dafür.
Im Kamin knistert ein Feuer und verbreitet eine wohlige Wärme, die mitten ins Herz trifft und sich dort einnistet wie ein samtweiches, schnurrendes Tier. Ich drehe meine Teetasse in den Händen und schaue hinaus in die trockene Kälte, die wir ausgesperrt haben, als wir vor einer Stunde von der Hundeschlitten - Tour ins Blockhaus zurückgekehrt sind. Wir haben unsere Kleider in den Trockenschrank gehängt, die Sauna eingeheizt, ein Feuerchen im Kamin gemacht und Wasser aufgesetzt. Schliesslich haben wir uns mit einer dampfenden Tasse Kräutertee in die Ikea-Sessel gefläzt. Und da sitze ich immer noch, während meine Frau bereits die erste Saunarunde in Angriff genommen hat. Schliesslich habe ich ja alle Zeit der Welt. Denn jedes Mal, wenn ich in Finnisch-Lappland lande, passiert dies: Ich schalte ein paar Gänge zurück. Während ich am Flughafen noch ungeduldig auf meinen Mietwagenschlüssel warte, fange ich schon auf dem Weg zum Auto an, mir für alles mehr Zeit zu geben. Dann fahre ich auf der winterweissen Strasse durch die Wildnis – und wenn ich fünfzig Kilometer später in Äkäslompolo ankomme, habe ich die lappländische Betriebstemperatur erreicht. Ich drehe den Schlüssel zum Blockhaus und bin zuhause.
Und genau so sind Blockhausferien in Lappland: die entspannteste Art, sich zuhause zu fühlen. Denn es gibt hier nichts, was man müsste, aber so viel, das man darf. Zum Beispiel dies: mitten in der Nacht in die eigene Sauna gehen und splitterfasernackt raus in den Schnee hüpfen. Oder dies: ausschlafenbücherlesen- kaffeetrinken-tagträumen. Und natürlich dies: raus in den Winter, wann immer einem danach ist. Und es ist einem immer danach. Denn dies ist der richtige Winter, mit Bäumen, die sich unter der Last des Schnees biegen, mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt und mit zugefrorenen Seen, über die Hunderte von Kilometern Loipen direkt in den siebten Himmel führen.
Und zwischendurch ein Gläschen Wein
Ich gebe mir einen Ruck und schäle mich aus dem Sessel. Ich höre, wie die Haustür geht – bestimmt tappt meine Frau jetzt grad vorsichtig raus in den Schnee. Sie wird es sich reiflich überlegen, sich tatsächlich darin zu wälzen – und wahrscheinlich ein kleines bisschen mogeln, weil ich ja nicht dabei bin. Ich lächle und gehe in die Küche, um eine Flasche Wein zu öffnen. Wenn sie atemlos von der Kälte in die gute Stube zurück kommt, werde ich sie mit einem kleinen Apéro begrüssen, bevor wir Saunarunde zwei einläuten. Oder auch nicht. Denn das haben wir bereits mit den Finnen gemeinsam: Wir gehen aus purer Lust und Laune in die Sauna. Nur in einer Beziehung kennen die Finnen keine Kompromisse: Ein Blockhaus ohne eigene Sauna ist schlicht unvorstellbar. Denn hier trifft man sich zum Klatsch und Tratsch, hier tauschen Politiker Staatsgeheimnisse aus, hier zieht man sich zurück, um den Tag Revue passieren zu lassen. Und genau das tun wir auch. Allerdings nicht in der Sauna, sondern vor dem knisternden Feuer, eingehüllt in flauschigweiche Frotteetücher. Wir nippen am Wein und schwelgen bereits in den Erinnerungen an die Hundeschlittentour am Nachmittag.
Das perfekte Wintermärchen
«Was für ein Land!», denke ich, während ich ein paar Kerzen anzünde und mir dabei vorkomme wie an Weihnachten. «Und was für Möglichkeiten!» Kein Wunder, bleiben Besucher hier immer wieder hängen. Die Ostschweizerin Karen etwa, unser Guide auf der Hundeschlittentour von heute Nachmittag. «Das hier ist das perfekte Wintermärchen», hat sie mit einem Strahlen gesagt, das keinen Zweifel zuliess, und uns das Zeichen zum Aufbruch gegeben. Zwei Stunden lang sind wir durch die Wildnis «geflogen». Über uns der blaue Himmel, vor uns eine märchenhafte Winterlandschaft, hinter uns der Alltag. Nichts als das Hecheln der Hunde war zu hören. Und der eigene Herzschlag.