Wer die schottischen Highlands mit dem Luxuszug Royal Scotsman bereist, erlebt in exklusiver Atmosphäre das ganze Programm: Naturwunder, Historie und exklusives Lebensgefühl.
Steven Schneider
Kolumnist und AutorDer Kolumnist und Autor Steven Schneider hat Skandinavien und Island regelmässig und zu allen Jahreszeiten bereist und ist mit der Ururenkelin des ersten königlichen Seidenfabrikanten in Stockholm verheiratet.
Bitte schalten Sie Ihre Mobiltelefone und den Laptop aus», beginnt Train Manager Michael Andrews seine kleine Ansprache an die Zuggäste. «Wir sagen es Ihnen schon, wenn auf der Welt etwas Wichtiges passieren sollte und wie sich die Börsen verhalten.» Allgemeines Geschmunzel. Jemand räuspert sich. Gut gehende Aktien sind keine Voraussetzung, um zu den maximal 36 Passagieren im Luxuszug Royal Scotsman zu gehören, aber ein wenig Erspartes braucht es schon, damit man sich die dreitägige Fahrt durch die Highlands leisten kann. «We take care of you», schliesst Michael. Die Gäste in den gepolsterten Stühlen des mit Mahagoni getäfelten Salonwagens nippen am Champagner, während der Zug, der kurz zuvor den Bahnhof von Edinburgh verlassen hat, über die zweieinhalb Kilometer lange Brücke über den Forth rollt. Auf dem Wasser gleiten grosse Schiffe Richtung Nordsee – der Royal Scotsman nimmt gemütlich Kurs auf die Highlands. Zeit zu entspannen.
Rollendes Zuhause Bahnreise
Urlaub entspricht perfekt dem neuen Reisetrend der «SlowReisen »: Der Royal Scotsman etwa vereint komfortables Transportmittel und exquisites Hotel. Also kein mühseliges Koffertragen, kein dauernder Zimmerwechsel, sondern nur Musse und Genuss. Exklusive Züge wie der Royal Scotsman und der Zarengold oder der Golden Eagle (beides Transsibirische Bahnen) werden immer beliebter, und das ist kein Wunder: Luxuriöse Einrichtung, diskrete Betreuung, kulinarische Höhenflüge und tolle Ausflüge gehen Hand in Hand mit spannenden Bekanntschaften, der Möglichkeit zur Gesellschaft in den Gemeinschaftwaggons oder zum Rückzug in die eigene Kabine.
«We take care of you.»
Gekrönt wird das entspannte Vergnügen von einer abwechslungsreichen Aussicht. Vor dem Zugfenster des Royal Scotsman zieht Schottland in seinen schönsten Farben vorbei: violett blühende Rhododendren, weiss getünchte Bauernhöfe, pittoreske Städte mit schmucken Steinhäusern inmitten prächtiger Gärten.
Und über alles spannt sich der blaue Himmel samt malerischen Wolkentupfern.
Die Passagiere haben ihre Kabinen bezogen, bestaunen die beiden nostalgischeleganten Restaurant-Waggons, erkunden die fünf Schlafwagen. Bereits nach wenigen Kilometern fühlt man sich zuhause im Luxus, und nach zwei Stunden Fahrt steht der erste Ausflug auf dem Programm: die Whisky-Destillerie von Dalwhinnie. Die Führung durch die Räume mit den süsslich duftenden Maischebottichen und den kupfernen Brennblasen ist eher kühl, umso herzlicher geht es nach der Rückkehr an der Bar des Royal Scotsman zu, wo man das neu erlangte Whisky-Wissen unter Michaels Anleitung vertieft: «Anfänger? Dann wäre ein süsslicher Whisky, gereift in Sherry-Fässern wie der 14-jährige Ancestral, der richtige. Sie sind Experte? Oh, ich empfehle den 16-jährigen Lagavulin.»
Der Zug fährt wieder an, die Berge werden höher, die Landschaft karger. Auf den Gleisen einer Privatbahn erreicht das rollende Luxushotel schliesslich Boat of Garten. Hier, auf einem ruhigen Nebengleis, wird der Royal Scotsman über Nacht stehen bleiben. Zum informellen Dinner sind Jackett und Krawatte erwünscht. Stil gehört auf der Reise genauso zum guten Ton wie gehobene Küche: Gemüseterrine, Peperoni-Coulis, Chutney von schwarzen Oliven und Tomaten, abgerundet durch einen Vermentino aus der Toscana bilden den Auftakt. Zum Hauptgang gibt es Heilbutt-Filet mit glasierten Spargeln, KirschtomatenTarte, begleitet von einem Beaujolais. Nach den Süssspeisen steigen zwei virtuose Musiker an Bord, die mit Fidel, E-Piano und viel schottischem Humor im Observation Car eine kleine, feine Party steigen lassen. Die Gesellschaft aus Geniessern und Kennern wächst subtil zusammen. Es wird geplaudert, gefachsimpelt und applaudiert. Vor acht Stunden erst ist man einander erstmals begegnet, jetzt teilt man schon eine ganze Menge an schönen Augenblicken.
«Zu sehen, wie die Gäste in unsere Kultur eintauchen, macht mich glücklich.»
Schafsmagen und Blutwurst
Sophie Burtt, eine der Stewardessen, legt am nächsten Morgen mit elegantem Schwung die Servietten auf die Oberschenkel der Gäste und fragt, was sie zum Frühstück zu speisen gedenken. Die zwei Belgier entscheiden sich für Haggis, was ihnen die bewundernden Blicke einiger weiblicher Mitreisender einbringt. Vielleicht sind sie auch spöttisch. Denn Haggis ist keine Speise, sondern eine Mutprobe: Wie sonst soll man einen mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, Hafermehl und Zwiebeln gefüllten Schafsmagen nennen?
Später erzählt Sophie, dass die Amerikaner die mutigsten Gäste seien: «Die probieren tapfer nicht nur Haggis, sondern auch Black Pudding, unsere Blutwurst. Vor allem jene Amerikaner, deren Vorfahren aus Schottland stammen.» Die Schweizer seien als Gäste eher diskret, wobei ihr die Nationalität vollkommen egal ist: «Ich liebe mein Land. Und zu sehen, wie die Gäste in unsere Kultur eintauchen, macht mich glücklich. » Dafür nimmt die Soziologiestudentin, die seit vier Jahren in den Semesterferien auf dem Royal Scotsman arbeitet, auch lange Arbeitszeiten auf sich: Zehn Tage arbeitet sie durch, dann hat sie drei Tage frei.
Von Fremden zu Freunden
Heute wird die Reisegruppe vom privaten Bus, der den Royal Scotsman während der ganzen Reise begleitet, zum Grossgrundbesitz der Familie Grant gebracht. Das Rothiemurchus Estate ist ein landschaftliches Juwel in den Highlands: Seen, Wälder, Berge, Hügel und Himmel, arrangiert zu einem romantischen Gemälde in Perfektion. Die Belgier melden sich fürs Tontaubenschiessen, die Amerikaner zum Angeln, und die Briten spazieren durch den Wald. Kurz vor Mittag gibt Philippa Grant, die Dame des Hauses, im historischen Haupthaus für alle einen kleinen Empfang. Bei Shortbread, Tee und brennenden Kaminfeuern erzählt sie mit Herz und Humor von der Last und Freude, ein Estate zu managen.
Zurück am Bahnsteig werden alle wie immer von den Stewards mit Namen begrüsst. Solche Gesten machen die Klasse des Royal Scotsman aus. Und sie demonstrieren: Hier ist jeder etwas Besonderes. Stewardess Stephanie serviert Cocktails, danach gibt es einen leichten Lunch, der ganz casual ohne Krawatte genossen werden darf. Und immer lockerer wird auch der Umgangston unter den Gästen aus aller Welt. «Das ist für mich das Schönste», erklärt Train Manager Michael. «Am Anfang steigen lauter Fremde in unseren Zug ein. Wenn wir wieder in Edinburgh ankommen, verabschieden sie sich mit Küsschen, tauschen Adressen und sind Freunde.»
Börsen? Aktien?
Letzter Ausflug: Es bläst ein kalter Wind auf dem Schlachtfeld von Culloden bei Inverness. Das stört den Historiker Ray Owens nicht. Stilecht mit dem Plaid, einem grossen, karierten Tuch, bekleidet, das sich die Highlander um die Hüfte banden, dazu mit Lederstiefeln, Dolch, Schwert und Schild, erzählt er von den brutalen Kämpfen zwischen Schotten und Engländern.
«Hier, genau hier», brüllt er, «standen die Truppen von Bonnie Prince Charlie. 5000 Mann, hungrig, durchnässt, frierend, aber wild entschlossene Kampfmaschinen auf zwei nackten Beinen, bereit, sich auf den Gegner zu stürzen, ihn zu überrennen und zu massakrieren, begleitet vom durchdringenden Klang der Dudelsäcke.» Er macht eine bedeutungsschwangere Pause. «Dort drüben», Owens zielt mit der Schwertspitze über das weite grüne Feld, «standen die Engländer. Gut bewaffnet, satt, und in doppelter Stärke.» Owens kneift die Augen zu und fixiert den imaginären Feind, der vor über 200 Jahren dort in Stellung lag, wo jetzt einige Touristen spazieren. Die Schlacht sei für die Schotten jedoch zur Katastrophe geworden, erzählt Owens weiter. Die Highlander wurden aufgerieben, die schottische Kultur nach und nach zerschlagen.
Dass Börsen und Aktienkurse überhaupt existieren, haben sowieso schon alle längst vergessen.
Tief berührt von der leidenschaftlichen «Living history»-Präsentation kehren die Passagiere zurück zum Royal Scotsman und landen im angenehmen Jetzt: Auf dem Perron gibt es den obligaten Drink, das herzliche Lächeln von Michael und den diskreten Hinweis, das heutige Dinner sei formell. Also Smoking oder schwarzer Anzug für die Herren, Abendrobe für die Damen.
Die Mischung aus gemeinsamen Erlebnissen, alten und neuen Whisky-Kennern, aus Luxus, Natur, Kultur und der Wehmut, dass diese aussergewöhnliche Reise bald zu Ende geht, gipfelt in einer ausgelassenen, gleichwohl immer elegant bleibenden Party. Englische, flämische, französische und deutsche Wortfetzen fliegen im allgemeinen Gelächter hin und her, und niemand zückt auch nur ein einziges Mal sein Handy. Dass Börsen und Aktienkurse überhaupt existieren, haben sowieso schon alle längst vergessen.
Stilvoll durch Schottland
Belmond Royal Scotsman
Genuss pur: Die Reise im eleganten «Belmond Royal Scotsman»-Zug ist ein exklusives Erlebnis voller Privilegien. Zur Auswahl stehen fünf Reiserouten.
Kontiki hat für Sie die Route «CLASSIC», 5 Tage / 4 Nächte getestet.
«Erlesenes, lokaltypisches Essen, Konzerte an Bord, internationales, kultiviertes Publikum, eine stilvolle Betreuung – und dann noch die wildromantische Kulisse der Highlands: einfach wonderful! Ich werde diese Reise, die sprichwörtlich Klasse hat, bestimmt mein Leben lang nicht vergessen.»