Nordlicht

Lady Aurora in Hochform

Aussergewöhnlich spektakulär und häufig zeigen sich die Nordlichter aktuell – und ungewohnt farbenfroh. SRF-Meteorologe Christoph Siegrist weiss, was hinter dem Phänomen steckt: Verantwortlich für den Nordlichtsegen sind starke Sonnenwinde. Wer das faszinierende Schauspiel am nördlichen Himmel live erleben will, hat jetzt die besten Chancen.

Veröffentlicht: November 2023
Text: Christian Ruch

Es ist jedes Mal ein magischer Moment! Da steht man nachts irgendwo in der Stille des hohen Nordens, und plötzlich verfärbt sich der Himmel, um ein faszinierendes Spektakel beginnen zu lassen: Erst zeigen sich graue Schleier, dann grüne, vielleicht sogar rote.Sie bewegen sich wie ein Vorhang oder wie Wellen, es beginnt ein kosmischer Tanz, der einen ehrfürchtig staunen lässt. Wer einmal in seinem Leben Nordlichter gesehen hat, wird diesen Anblick nie vergessen.

Christoph Siegrist

Christoph Siegrist

SRF-Meteorologe Christoph Siegrist ist unser «Mr. Polarlicht»: Er hat den exklusiven Kontiki-Nordlichtalarm entwickelt.

Geladene Teilchen Richtung Erde

Einer, der seine Begeisterung für das Phänomen Nord- oder Polarlichter mit grosser Leidenschaft lebt, ist der SRF-Meteorologe und «Mister Nordlichtalarm» Christoph Siegrist. Was die wissenschaftlich «Aurora borealis» genannten Nordlichter sind, erklärt er so: «Von der Sonne werden geladene Teilchen ins All geschleudert.So entsteht der sogenannte Sonnenwind. Und wenn die Teilchen auf die Erdatmosphäre treff en, fangen darin der Sauer stoff und Stickstoff an zu leuchten. Die unterschiedlichen Farben des Nordlichts zeigen an, welches Element gerade leuchtet. Am häufi gsten ist Grün, das ist die Farbe des Sauerstoff s in rund 100 Kilometern Höhe. Rot leuchten Sauerstoff -Radikale auf rund 200 Kilometern. Der Stickstoff dagegen kann verschiedene Farben annehmen, das reicht von weiss über blau bis violett und pink, je nachdem, in welcher Höhe er sich befindet.»

Rote Nordlichter seien relativ selten, weil die Anzahl der Teilchen, die der Sonnenwind treff en kann, in 200 Kilometern Höhe viel geringer sei. Der Sonnenwind selbst müsse also relativ dicht sein. Im letzten Winter war die Nordlichtaktivität so stark, dass man sie sogar in der Schweiz und in England beobachten konnte. In der Nacht zum 24. März 2023 traf gemäss Angaben des Instituts GeoSphere Austria der stärkste Sonnensturm seit acht Jahren die Erde, was dazu geführt habe, dass auch noch in Österreich eine schwache Nordlichtaktivität registriert wurde. Und selbst südlich des US-Bundesstaats Arizona kam es zu diesem in jenen Breiten höchst seltenen Schauspiel.

«Die Sonnenwinde beruhen auf Eruptionen an den Sonnenflecken. Ihre Intensität unterliegt einem regelmässigen Zyklus von elf Jahren. 2020 hatte der Sonnenfl ecken-Zyklus sein Minimum erreicht und wird nun wieder stärker. Das heisst, es kommt zu mehr Eruptionen, mehr Sonnenwind und daher auch mehr und stärkeren Nordlichtern. Momentan bewegen wir uns Richtung Maximum, das wir im Juli 2025 erreichen werden. Die nächsten beiden Winter bieten beste Chancen für die Beobachtung von Nordlichtern», verrät Siegrist.

"Die Nordlichtaktivität ist so stark, dass man sie selbst in Deutschland und England beobachten konnte."

Aurora-Oval: die beste Zone

Die Zone, in der man Polarlichter besonders häufig sieht, nennt man Aurora-Oval. In diesem Gürtel befinden sich Nordnorwegen und Finnisch-Lappland, ein kleiner Teil von Nordschweden, ganz Island, Südgrönland, Nordkanada, Alaska und weite Teile Sibiriens. «Doch das Wetter muss ja auch mitspielen, damit man Polarlichter sehen kann», gibt Christoph Siegrist zu bedenken. «Besonders viel Glück hat man deshalb in Gegenden mit einem kontinentalen, eher trockenen Klima wie etwa in der Region um Alta in Nordnorwegen oder auch im finnischen Lappland.»

Mittlerweile gibt es zahlreiche Handy-Apps, die melden, wie gross die Wahrscheinlichkeit für Nordlichter ist. «Sie sind recht brauchbar,sofern sie Sonnenwind-Prognosen beinhalten», meint Christoph Siegrist. Er hatte aber eine noch bessere Idee und erfand den Nordlichtalarm, der den Gästen von Kontiki gratis als SMS auf ihr Handy geschickt wird.

 

Nordlichtalarm für Reisende

Das System beruht auf einer Kamera, die das Licht am Himmel sowie die Bewölkung analysiert und den Alarm auslöst, sobald sie die typischen Nordlichtfarben registriert. Somit ist auch gewährleistet, dass die Kontiki-Gäste tatsächlich Nordlichter sehen und man nicht nur dank einer App weiss, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist. Die erste dieser Kameras wurde vor zehn Jahren im finnischen Luosto stationiert, mittlerweile stehen jeweils fünf in Finnisch-Lappland, Island und Nordnorwegen sowie eine in Nordschweden. Damit betreibt Kontiki vermutlich das weltweit grösste private Nordlichtkameranetz der Welt. 

«Die nächsten beiden Winter bieten beste Chancen für die Beobachtung von Nordlichtern.» Christoph Siegrist, Meteorologe

Christoph Siegrists eigene Begeisterung für Nordlichter begann übrigens in einem Linienbus. «Während meines Studiums besuchte ich Verwandte, die nach Oslo ausgewandert waren», erzählt er. «Von Oslo bin ich dann mit dem öffentlichen Verkehr ans Nordkap. Als ich im Bus nach Hammerfest sass, war ich etwas am Dösen und habe aus dem Fenster geschaut. Plötzlich sah ich irgendetwas Grünes und dachte zuerst, das sei die Spiegelung der Innenbeleuchtung im Bus. Dann merkte ich, dass dieses Licht sich nicht mitbewegte, und auf einmal kam mir in den Sinn, dass das Nordlichter sein könnten. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. In
Hammerfest habe ich dann mein erstes Nordlichtfoto gemacht, damals noch mit einer analogen Kamera – ich wusste also nicht sofort, ob das Bild gelungen war. Erst daheim beim Entwickeln des Films entdeckte ich etwas Grünes. Und da hat es mich gepackt! Es ist so etwas Fantastisches, wenn plötzlich am Himmel ein Nordlicht erscheint und sich zu bewegen beginnt. Seitdem bin ich jeden Winter im Norden.»


Lieblingsziel Island 

Island ist eines von Christoph Siegrists Lieblingszielen: «Diese Insel ist schon etwas wahnsinnig Schönes, auch und gerade für Nordlichter. Das Wetter ist halt sehr wechselhaft, aber die Kulisse mit der atemberaubenden Landschaft ist einfach fantastisch. Was die Chancen angeht, Nordlichter zu sehen, würde ich den Norden oder Nordosten von Island empfehlen, denn dort ist das Wetter oft etwas besser.»


Sind Sonnenwinde gefährlich?

Um die Sonnenwinde, die in der Erdatmosphäre Stickstoff und Sauerstoff zum Leuchten bringen und so Nordlichter auslösen, ranken sich manche Mythen. Wie gefährlich sind sie eigentlich? Christoph Siegrist gibt weitgehend Entwarnung: «Im All können starke Sonnenstürme Satelliten gefährden. Elon Musk musste beispielsweise miterleben, dass einige seiner Starlink-Satelliten in einem Sonnensturm verglühten. Darum werden Satelliten bei starken Sonnenstürmen normalerweise heruntergefahren und danach neu gestartet. Probleme kann es auch bei sehr langen Überlandleitungen im Stromnetz geben. Denn die  Sonnenstürme erzeugen elektromagnetische Felder, die in den Stromleitungen zu einer Überspannung führen können. So etwas passiert aber wie gesagt nur in Netzen mit sehr langen Leitungen, unser Netz in der Schweiz ist dafür viel zu klein und feinmaschig.»


5 Fakten über Nordlichter

  • 567 vor Christus wurde in Babylon die Wahrnehmung eines Nordlichts erstmals in einer Chronik festgehalten.

  • 1899 wurde in Alta das erste norwegische Nordlichtobservatorium in Betrieb genommen.

  • Das am häufigsten auftretende grüne Nordlicht hat eine Wellenlänge von 557,7 Nanometern.

  • Der historisch gesichert heftigste Sonnensturm ereignete sich vom 28. August bis 2. September 1859. Die Nordlichter waren selbst in der Karibik zu sehen.

  • In Norwegen war es Kindern früher verboten, mit Nordlichtern zu sprechen oder ihnen zuzuwinken, weil man glaubte, dass dies Unglück bringen würde und das Nordlicht das Kind holen könne.

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